"Der Küchenchef ist häufig der Dumme"
 
Herr Göbel, halten Sie die Vergabepraxis über Ausschreibungen im öffentlichen Bereich noch für zeitgemäß?

Paul Göbel: Die Vergabepraxis der öffentlichen Hand entspricht nicht mehr der moderner Wirtschaftsunternehmen. Vor allem deshalb, weil es im Gegensatz zu Bauleistungen in der Küche keine normierten Standards gibt. Das führt dazu, daß ein beauftragtes Ingenieurbüro, das vielleicht Fachkenntnisse für die Vergabe bei Sanitäreinrichtungen hat, völlig überfordert ist. Es soll einerseits die Ausschreibung so exakt formulieren, daß die Anforderungen unmißverständlich definiert sind und muß andererseits aus der Angebotsfülle einer teilweise sogar europaweiten Ausschreibung das jeweils Richtige herausfinden. Ein weiterer Fachmann, also ein neutraler Küchenplaner, wird nicht eingeschaltet.

Muß - laut Gesetzt - immer das kostengünstigste Angebot realisiert werden?

Wer nur dieses Kriterium heranzieht, interpretiert die gesetzlichen Vorgaben falsch. In der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/A) § 25 Abs. 3 steht auch ausdrücklich, daß der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist. Vielmehr gilt: Der Zuschlag soll dem wirtschaftlichsten Angebot erteilt werden. Der Gesetzgeber sagt zudem deutlich, daß Angebote, deren Preis in offenbarem Mißverhältnis zur Leistung steht, ausgeschlossen werden müssen. Darüber hinaus rät die Verdingungsordnung, bei der Prüfung der Angebote gegebenenfalls einen Sachverständigen hinzuzuziehen.

Wie viele Küchen sehen denn nach Ihrer Erfahrung hinterher nicht so aus, wie in der Ausschreibung gefordert?

Leider nur die wenigsten Küchen erfüllen die zuvor definierten Kriterien. Hier ist nun der Auftraggeber gefordert, sich bei der Prüfung beraten zu lassen, denn sehr oft sind ungenügende Angebote für den Laien nicht erkennbar.

Gibt es "Schwarze Listen" von Händlern, die Ausschreibungen unlauter bedienen?

Leider nicht. Einem Insider fällt natürlich eine gewisse Häufigkeit von Anbietern auf, insbesondere aus dem unteren Preissegment. Bei genauem Hinsehen stellt sich dann schnell das vermeintlich günstige Gerät beispielsweise als zu niedrig in der Leistung oder zu kostenintensiv im Energieverbrauch heraus. Gäbe es solche Listen, könnten diese "schwarzen Schafe" nicht mehr über ihren niedrigen Preis die korrekten Anbieter verdrängen.

Was ist zu tun?

Großbanken ziehen bei Projekten, die sie finanzieren, inzwischen fast automatisch Sachverständige zur Ausschreibungskontrolle hinzu. Sie wissen, daß deren Honorare später vielfach einzusparen sind. Sie haben zudem erkannt, daß nicht allein die reinen Investitionskosten, sondern auch die Betriebskosten eine Rolle spielen. Diese Selbstverständlichkeit muß sich bei Behörden und Verwaltungen noch durchsetzen.

Kann auch ein Küchenplaner hinzugezogen werden?

Ja, er muß aber neutral sein, darf also keine verkäuferischen Interessen haben. Für die öffentliche Hand gibt es Beratungsstellen wie Landesbeschaffungsämter, die Obersten Baubehörden oder Finanzministerien als oberste Hochbaubehörden sowie Referate für öffentliches Auftragswesen in den Wirtschaftsministerien. In Berlin operiert die BAOBerlin, eine Tochter der Industrie und Handelskammer zu Berlin.

Wie kommt man in Kontakt mit einem Sachverständigen?

Die Kontakte können über die IHK oder über den Bundesverband der Sachverständigen in Bonn hergestellt werden.

Ganz kurz bitte drei Tips, woran ein Investor bei einer Ausschreibung denken sollte?

1. Nach VOB ausschreiben.
2. Das Leistungsverzeichnis muß exakt definiert sein. Eine schwammige Beschreibung führt dazu, daß die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist.
3. Die Angebote genau prüfen, sich bei Unklarheiten lieber beraten lassen und dem wirklich wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag erteilen.

Welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem Küchenchef zu? Kann er im Vorfeld Einfluß auf den Ausschreibungsprozeß nehmen?

Bedauerlicherweise ist der Küchenchef häufig der Dumme. Denn bei Neubauten wird der künftige Küchenchef oder Betreiber in der Planungsphase nicht hinzugezogen. Manchmal ist er zu diesem Zeitpunkt allerdings auch noch nicht bekannt. Bei Um- oder Ausbauten kommt es darauf an, wie stark die Position des Küchenchefs oder Betreibers ist. Ein sehr engagierter Koch, der im Vorfeld eine Marktübersicht gewonnen hat oder sich unabhängig beraten ließ, kann aus der Sicht des Praktikers seinen Bedürfnissen entsprechend Einfluß nehmen.

Viele Dank, Herr Göbel, für diese wertvollen Tips!

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